Unabhängigkeitstag: Warum ein US-Präsident ständig „4th of July“-Feiern boykottierte - WELT (2024)

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Für John Adams, einen der Gründerväter der Vereinigten Staaten, gab es keinen Zweifel. Am 3. Juli 1776 schrieb der spätere US-Präsident in einem Brief an seine Frau: „Der zweite Tag des Juli 1776 wird als der denkwürdigste Meilenstein in die Geschichte Amerikas eingehen. Ich bin geneigt zu glauben, dass er von kommenden Generationen als das große Jubiläumsfest gefeiert werden wird.“

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Damit sollte er allerdings nicht recht behalten. Und das hatte mit den organisatorischen Abläufen im „Second Continental Congress“ in Philadelphia zu tun, der zweiten Delegiertenversammlung der 13 Kolonien Nordamerikas. Diese hatte zwar an besagtem 2. Juli ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erklärt, indem die Abgeordneten eine entsprechende Resolution verabschiedeten, die der Delegierte aus Virginia, Richard Henry Lee, eingereicht hatte. Doch damit war der Vorgang noch lange nicht abgeschlossen.

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Bereits Wochen zuvor, am 11. Juni 1776, hatte der Kongress ein Fünferkomitee mit dem Entwurf einer Unabhängigkeitserklärung beauftragt. Dieses „Committee of Five“ bestand aus Adams, Thomas Jefferson, Benjamin Franklin, Robert R. Livingston und Roger Sherman. Jefferson leistete die Hauptarbeit und verfasste das Dokument vom 11. bis 28. Juni, Adams und Franklin fügten noch einige Änderungen hinzu, dann wurde die Schrift nach Annahme der Lee-Resolution vom Kongress überarbeitet. Diese Revision dauerte bis zum 4. Juli, und an jenem Tag verabschiedeten die Delegierten die Erklärung schließlich.

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Daher wird dieses Datum heute als Nationalfeiertag begangen – aber man hätte auch einen noch späteren Termin wählen können: Ab dem 5. Juli verbreitete der Kongress die Resolution in Kopien und Prospekten, am 6. Juli wurde sie in der „Pennsylvania Evening Post“ erstmals in einer Zeitung gedruckt. Die erste öffentliche Verlesung erfolgte am 8. Juli mittags im Garten des damaligen Parlamentsgebäudes (des „State House“, heute der „Independence Hall“) in Philadelphia. Mit Glockengeläut und Musik wurde das Ereignis den ganzen Tag gefeiert.

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Aber erst am 19. Juli beauftragte die Versammlung eine Ausfertigung in Schönschrift auf einem großen, haltbaren Pergamentbogen statt auf gewöhnlichem Papier. Dies ist die „offizielle“ und weltbekannte Version des Dokuments, die heute in den National Archives in Washington, D.C. ausgestellt wird. Am 2. August setzte John Hanco*ck, der Präsident des Kontinentalkongresses, seine Unterschrift unter diese (wie die Vorversionen auf den 4. Juli datierte) Ausfertigung der Erklärung – in großen Lettern, die den übrigen 55 Unterzeichnern nur noch begrenzt Platz ließen. Deren Unterschriften waren somit kleiner, Hanco*cks stach hervor. „I need your Hanco*ck on this“, sagt man daher in den USA seither umgangssprachlich, wenn man jemanden um eine wichtige Unterschrift bittet (ähnlich wie man im Deutschen von einem „Friedrich Wilhelm“ auf Dokumenten spricht).

Damit war es jedoch immer noch nicht getan: Nicht alle Delegierten waren am 2. August 1776 anwesend, mehrere unterschrieben erst später. Einige Forscher gehen davon aus, dass mit Thomas McKean aus Delaware der letzte Unterzeichner sogar erst im Januar 1777 zur Feder griff. Eines der bedeutendsten und wirkmächtigsten Dokumente der Weltgeschichte war damit vollendet. Doch was stand eigentlich, abgesehen von der Lossagung von der britischen Krone, in dieser Schrift, deren An- und Ausfertigung einige Zeit und Mühe in Anspruch genommen hatte? Und was war ihre Genese?

„Keine Besteuerung ohne Repräsentation“

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Die Unabhängigkeitserklärung war das Resultat eines bereits länger schwelenden Entfremdungsprozesses zwischen den 13 Kolonien und dem britischen Mutterland. Der Konflikt über die politische, ökonomische und soziale Stellung der Kolonien und ihrer Bewohner innerhalb des britischen Herrschaftsverbands hatte sich seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 intensiviert (in Amerika als „French and Indian War“ bezeichnet, in dem die Kolonisten an der Seite der Briten gegen Frankreich und deren indianische Verbündete kämpften).

Einerseits gab es Dissens um eine weitere Westexpansion über die Appalachen hinaus, die Großbritannien aus Sorge vor weiteren Indianerkriegen nicht wollte, die Siedler aber verlangten. Vor allem aber sorgten erbitterte Streitigkeiten um immer weitere Steuern und Zölle, die das nach dem Krieg klamme Mutterland erhob, für neue Eskalationen.

Insbesondere wollten die Kolonisten nicht mehr hinnehmen, dass sie in dem fernen Parlament, das ihnen aus Übersee diese Abgaben vorschreiben konnte, nicht vertreten waren. So artikulierten sie bald energischer ihren Schlachtruf „No taxation without representation!“ (auf Deutsch: „Keine Besteuerung ohne parlamentarische Repräsentation“). Immer öfter nahm der Streit gewaltsame Formen an. Als die Zollbehörde 1768 in Boston das Schiff „Liberty“ – das dem damaligen Reeder John Hanco*ck gehörte – wegen einer Übertretung von Zollvorschriften konfiszieren wollte, kam es zu Unruhen. Wegen einer darauf folgenden Verstärkung der britischen Truppenpräsenz gab es anhaltenden Frust in der Bevölkerung, der zwei Jahre später in einen blutigen Zusammenstoß mündete, dem „Boston Massacre“.

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Am selben Ort entlud sich der Zollstreit ein weiteres Mal 1773 in der legendären „Boston Tea Party“, auf der wütende Siedler, als Indianer verkleidet, ein Schiff der britischen Ostindien-Kompanie stürmten und die gesamte Ladung Tee über Bord warfen. Die englische Regierung antwortete mit harschen neuen Gesetzen, die Massachusetts praktisch einem Militärregime unterstellten.

Aber anstatt die Lage damit wieder unter Kontrolle zu bringen, sorgten die britischen Strafmaßnahmen dafür, dass die Kolonien immer enger zusammenrückten und der Widerstandswille wuchs. 1774 trat in Philadelphia der Erste Kontinentalkongress zusammen. Von einer Trennung vom Mutterland war noch nicht die Rede, doch das war nur noch eine Frage der Zeit. Denn entweder mussten die Briten die von den Bewohnern der Kolonien verhassten Gesetze zurücknehmen – oder sie mit Gewalt durchsetzen. Das Mutterland entschied sich für Zweiteres. Am 19. April 1775 marschierten britische Truppen in Massachusetts zu der Kleinstadt Concord, um dort ein Waffenlager der Kolonisten auszuheben. Auf halbem Wege kam es in Lexington zu ersten Gefechten. Damit begannen die Kämpfe, die später als Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg bekannt wurden.

„Das Streben nach Glückseligkeit“

Wenige Wochen später, am 10. Mai, trat der Zweite Kontinentalkongress zusammen, dessen erste Beschlüsse noch den Verteidigungskampf betrafen. Doch bald wurde es grundsätzlicher: Was als Konflikt um die Rechte der Kolonien unter der britischen Krone begonnen hatte, entwickelte sich zum Kampf um völlige Selbstbestimmung – aus einer Rebellion wurde eine Revolution. Der für die Amerikaner verlustreiche Kriegsverlauf und die daraus resultierende zunehmende Verbitterung trugen dazu bei. Schriften wie Thomas Paines „Common Sense“ befeuerten den Freiheitsgeist und inspirierten 1776 das „Committee of Five“ bei seiner Arbeit an der Unabhängigkeitserklärung, die sich inhaltlich in drei Teile gliedert.

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Zunächst eine Präambel, die sich auf das Naturrecht gründet und von der Philosophie John Lockes, eines der Vordenker der Aufklärung, beeinflusst ist. Sie benennt die Menschenrechte des Individuums: „Wir erachten diese Wahrheiten als selbstverständlich, dass alle Menschen gleich erschaffen worden sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet wurden, darunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit.“ Wenn eine Regierung diese Rechte nicht gewährleiste, habe ein Volk das Recht, sie abzusetzen. Im zweiten Abschnitt wird der englische König als Tyrann gebrandmarkt, seine Verfehlungen werden wie in einer Anklageschrift Punkt für Punkt aufgezählt. Im Schlussteil folgt schließlich die eigentliche Erklärung der Unabhängigkeit.

Dass Großbritannien diese Revolution erbittert bekämpfen würde und den Amerikanern schwerste, am Ende aber siegreiche Zeiten bevorstanden, hatte John Adams bereits im Brief an seine Frau am 3. Juli 1776 vorhergesagt: „Ich bin mir sehr bewusst, dass es uns Mühsal, Blut und Vermögen kosten wird, diese Erklärung zu wahren und diese Staaten zu erhalten und zu verteidigen. Doch durch all diese Düsternis kann ich die Strahlen von atemberaubendem Licht und Ruhm sehen. Ich kann sehen, dass das Ende die Mittel mehr als rechtfertigen wird.“

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Unter der Führung von George Washington als Oberbefehlshaber konnte sich die Kontinentalarmee aus der Defensive kämpfen und gewann schließlich die Oberhand, auch aufgrund einer massiven militärischen und finanziellen Unterstützung durch Frankreich, das sich als Revanche für seine Niederlage gegen Großbritannien im Jahr 1763 nun mit den Amerikanern verbündete.

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Nach der Kapitulation zweier britischer Armeen bei Saratoga (1777) und Yorktown (1781) erkannte Großbritannien 1783 die amerikanische Unabhängigkeit an. Washington leitete 1787 den Verfassungskonvent der Vereinigten Staaten und wurde 1789 ihr erster Präsident, 1797 Adams sein Nachfolger.

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Den 4. Juli begingen die Amerikaner da längst als „Independence Day“, allerdings meist ohne den zweiten US-Präsidenten. Denn Adams hat zeitlebens nicht verwunden, mit seiner Forderung nach dem 2. Juli als Unabhängigkeitstag auf taube Ohren gestoßen zu sein. Fortwährend soll er deswegen Einladungen zu „4th of July“-Feierlichkeiten ausgeschlagen haben. Aber immerhin zelebrieren die Amerikaner ihren Nationalfeiertag alljährlich so ausgelassen, wie Adams es sich 1776 in seinem Brief gewünscht hatte – darauf können sich bis heute alle einigen: Gefeiert wird „mit Gottesdiensten, Prunk und Paraden, mit Shows, Spielen, Sport, Salutschüssen, Glockengeläut, Freudenfeuern und Lichterglanz von einem Ende des Kontinents bis zum anderen, ab jetzt und für immer“.

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Premieren, Rekorde und Kurioses zum „4th of July“

* Als die erste größere Feier des 4. Juli in den USA gilt der Jahrestag 1777 in Philadelphia, an dem der Kongress die Arbeit unterbrach. Ein Feuerwerk war der Höhepunkt des Tages.

* 1778 ordnete George Washington als Oberbefehlshaber der Kontinentalarmee zum 4. Juli Feierlichkeiten mit 13 Salutschüssen sowie einer doppelten Ration Rum für seine Soldaten an.

* Hauptautor der Unabhängigkeitserklärung und dritter US-Präsident Thomas Jefferson sowie der zweite US-Präsident John Adams starben an ein und demselben Tag: am 4. Juli 1826, dem 50. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung. Mit dem fünften Präsidenten James Monroe starb im Jahr 1831 ein weiterer US-Staatschef an einem 4. Juli. Calvin Coolidge, der 30. US-Präsident, wurde am 4. Juli 1872 geboren.

* Am 4. Juli 1848 wurde in der US-Hauptstadt der Grundstein für das Washington Monument gelegt. Der 169 Meter hohe Obelisk wurde erst am 6. Dezember 1884 fertiggestellt.

* 1870 erklärte der US-Kongress den 4. Juli zum freien Tag für Bundesbedienstete. Ein bezahlter Feiertag wurde er aber erst 1941.

* Das am 3. November 2014 eröffnete One World Trade Center in Manhattan ist 1776 Fuß hoch (gut 541 Meter), als Würdigung des Jahres der Unabhängigkeitserklärung.

* Landesweit gibt es am 4. Juli mehr als 14.000 große Feuerwerke. Seit der 200-Jahres-Feier 1976 gilt die 25-minütige „Macy’s 4th of July Fireworks Show“ über New Yorks East River als die größte der USA. Bei ihr werden über 48.000 Feuerwerkskörper im Wert von sechs Millionen Dollar abgebrannt.

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* Nach Angaben des „National Hot Dog and Sausage Council“ werden in den USA am Independence Day 150 Millionen Hot Dogs gegessen, die nebeneinandergelegt fünfmal die Strecke von Washington D.C. bis Los Angeles abdecken würden. Laut der „National Beer Wholesalers Association“ ist der 4. Juli auch der Feiertag mit den meisten Bierverkäufen.

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